Divinity 2: Ego Draconis

So langsam spricht sich die Beliebtheit der Xbox 360 auch bei deutschen Entwicklern herum. Wie sonst wäre es zu erklären, dass in diesem Herbst gleich drei ehemals PC-only Rollenspielschmieden ihre neuen Spiele auch für die Microsoft-Konsole portieren? Nachdem die ersten beiden Umsetzungen aufgrund massig Bugs (Sacred 2) oder einer technisch sehr mageren Umsetzung (Risen) einen mäßigen Eindruck hinterlassen haben, kommen nun die Larian Studios mit Divinity 2: Ego Draconis. Ob dieses Spiel eine der 360 würdige Umsetzung ist oder auch nur eine lieblose Portierung, erfahrt ihr in unserem Review.


Nachdem die ersten beiden Spiele (Divine Divinity und Beyond Divinity) klassische Rollenspiele waren, wagen die Larian Studios mit dem echten zweiten Teil den Wechsel in ein anderes Untergenre: Divinity 2 ist ein waschechtes Action-RPG.

By the rivers of Rivellon

Das Interface wurde vorbildlich an die Steuerung mit dem Controller angepasst

Die Geschichte von Divinity 2 dreht sich rund um Drachen. Der Spieler selbst beginnt das Spiel als Drachenjäger (bzw. als Schüler eines solchen) in der Welt von Rivellon, der kurz vor dem Ende seiner Ausbildung steht. Dieses Ende erlebt ihr anhand eines Tutorials in dem ihr nicht nur eure Fähigkeiten bekommt (indem euch die gesammelten Erinnerungen der Drachen in den Kopf gepflanzt werden), sondern ihr euch auch erst einmal für eine von drei Klassen entscheiden müsst (Krieger, Waldläufer, Magier). Die Wahl bindet euch vorerst an ein bestimmtes vorgehen, später könnt ihr aber Fähigkeiten aus allen Bereichen erlernen.

Nach dem Tutorial nimmt die Geschichte an Fahrt auf: Noch bevor ihr euer Ritual beenden könnt müsst ihr mit den anderen Drachenjägern ins Trümmertal, denn dort wurde kürzlich eines der geflügelten Untiere gesehen. Drachen sind aber nicht die einzigen Gegner, die ihr in Divinity 2 kennenlernen werdet: Die ganze Palette bekannter Gegner aus dem Fantasyuniversum stellt sich euch in mehr oder weniger bekannter Form entgegen. Dazu kommen noch eine ganze Reihe Dämonen, die die Wiedergeburt des Teufels Namens Damien beschworen hat (die Entwickler scheinen Fans der „Omen“ Filme zu sein) und sich dem Spieler entgegen stellen.

Wie aber bereits der Untertitel des Spiels Ego Draconis (lat: Ich Drache) spoilert, werdet ihr  später die Möglichkeit bekommen euch in einen Drachen zu verwandeln. Nach einem Hinterhalt im Trümmertal, der mit der Vernichtung aller Drachentöter endet, ist der Spieler als letzter seiner Art ganz auf sich gestellt. Er nimmt Aufträge an, hilft Dorfbewohnern und versucht die Hintergründe der Welt zu erforschen und zu verstehen, sowie sich an den Verantwortlichen für den Hinterhalt und zuletzt Damien selbst zu rächen.

Die Q-Frage

Die Drachentöter reisen standesgemäß mit einem riesigen Luftschiff

Die Hintergrundgeschichte klingt nicht nur angenehm anders, sie ist es auch. Als Drachentöter begegnen euch die NPCs von Anfang an mit einem gewissen Respekt, wodurch sich der Einstieg angenehm von anderen Rollenspielen abhebt – Ihr merkt von Anfang an, welche Last und welche Verantwortung auf euren Schultern lasten.

Ein Rollenspiel steht und fällt aber mit den Quests, die dem Spieler angeboten werden und die die Story voran treiben. Hier kann Divinity 2 begeistern. Zwar gibt es auch hier die typischen „Erschlage Anzahl X von Gegner Y“ oder „Bringe mir Anzahl A von Sache B“-Quests, diese sind aber auch am Anfang in der Minderzahl. Vielmehr verlangen euch die Quests immer wieder Gewissensentscheidungen ab. Da ihr nicht der „Bauernlümmel von nebenan“ seid, sondern ein Drachentöter, ist die Entscheidung hier nicht immer so leicht zu treffen wie in anderen Rollenspielen. Sehr schön auch, dass sich viele Quests durch reden und verhandeln lösen lassen und nicht immer im filetieren der vermeidlichen Gegner endet – so gewinnt man auch neue Vertraute und Questgeber. Habt ihr eine Quest abgeschlossen (auf welchem Weg auch immer) bekommt ihr eine festgelegte Belohnung und könnt meistens noch eine zusätzliche Belohnung wählen. Dies kann von Gold über seltene Zaubersprüche und Ausrüstungsgegenständen bis hin zu extra Erfahrungspunkten praktisch alles sein – die Wahl lieg bei euch.

Und zu tun gibt es genug: Im Spiel gibt es laut Hersteller über 250 Quests – Wir haben nicht nachgezählt, die angegebene Spielzeit von 40 Stunden für einen Durchgang erscheint für Entdecker durchaus realistisch. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Immer wieder sorgen Gspräche die ihr mitbekommt für einen Schmunzler, etwa wenn sich die Herren Stan und Olli vor der Kneipe im ersten Dorf des Spiels über alles Mögliche beschweren.

Alle Gespräche sind hervorragend vertont

Ein anderer sehr motivierender Kniff bei den Quests: Oftmals wird in einem Nebensatz eine Begebenheit oder eine Örtlichkeit erwähnt (manchmal bekommt ihr auch den Auftrag einen bestimmten Ort aufzusuchen) nur um dann festzustellen, dass diese Quest noch einen Happen zu schwer für euch ist – motivierender kann man Zwischenziele kaum setzen. So bleibt neben dem ultimativen Spielziel immer noch ein wesentlich näheres Ziel, auf das man zuarbeitet und das immer in fast greifbarer Nähe liegt. Dadurch bleibt der von vielen anderen Spielen bekannte Spannungsknick im Verlaufe der Story aus und der Spieler stets motiviert.

Eines der ersten Ziele, das der Spieler nach einigen Spielstunden erreicht, ist die Verwandlung in einen Drachen. Von nun an kann sich der Spieler in eine der großen Flugechsen transformieren und den Gegnern im wahrsten Sinne des Wortes ordentlich einheizen. Das bringt nicht nur zusätzliche Abwechslung  in den Spielablauf, sondern ermöglicht dem Spieler auch eine ganz andere Herangehensweise an einige Probleme – Mehr wollen wir hier aber nicht verraten.

Die Einfachheit des Seins

Das Highlight des Spiels ist sicherlich die Möglichkeit sich in einen Drachen zu verwandeln

Ein ganz besonderes Lob haben die Larian Studios für die Umsetzung der Steuerung für die Xbox 360 verdient: Hier merkt man, dass sich ein Entwickler wirklich Gedanken gemacht hat, wie eine auf Maus und Tastatur zugeschnittene Steuerung  am besten auf das Gamepad übertragen werden kann.

Dabei ist die Lösung sogar recht simpel: Das Steuerkreuz und die vier Buttons lassen sich frei mit Angriffen, Zaubern und Tränken beleben – Einfach die Taste gedrückt halten und danach den gewünschten Effekt aus einem Menü wählen. Das Menü erreicht ihr über die Starttaste und anstatt das Menü 1:1 vom PC zu übertragen und auf die Auswahl mit analogstick und Tasten zu quetschen hat man komplett neue Menüs entworfen, die auf diese Steuerung optimiert sind – Diese sehen zwar nicht ganz so hübsch aus wie auf dem PC, funktionieren dafür aber besser als bei fast allen anderen Rollenspielumsetzungen.

Die Menütexte sind, genau wie die Multiple Choice Dialoge, ebenfalls an die neuen Gegebenheiten angepasst: Die Schrift ist so groß gewählt, dass der Spieler auch auf einem normalen Röhrenfernseher die Texte gut lesen kann, ohne  dass Abkürzungen oder abgeschnittene Sätze auftauchen.

Der Drache im Tank

Malerische Landschaften und viel zu Entdecken prägen das Bild von Rivellon

Bei der technischen Umsetzung kann Divinity 2: Ego Draconis leider nicht ganz überzeugen: Es gibt zwar  hoch aufgelöste Texturen, eine sehr detaillierte Welt und tolle Effekte, dies wird aber mit einem (gerade in großen Gebieten auffallenden) leichten Ruckeln und Pop Ups der Umgebung erkauft. Auch sehen die Texturen ein Stück schlechter aus als auf höchster Aufösung auf dem PC.  Hier merkt man deutlich, dass die Xbox 360 bei großen Welten mit ihrem Hauptspeicher langsam an ihre Grenzen kommt. Die Ruckler und Pop Ups fallen zwar teilweise doch recht deutlich auf und sind sicherlich störend –Unspielbar wird Divinity 2 aber nie und die tollen Quests und die spannende Geschichte lassen über die technischen Schwierigkeiten hinwegsehen, zumal die Grafik mit Abstand die beste der drei Rollenspielkonkurenten aus Deutschland ist.

Zum Thema Käfer im Spiel (also Bugs) können wir uns erfreulich kurz halten: Es gibt zwar den einen oder anderen Grafikbug (Clipping; Gegner in einem Baum) aber nichts was das Spielvergnügen nachhaltig beeinträchtigen würde oder gar ein Weiterkommen in der Handlung unmöglich machen würde.

Die actionreichen Kämpfe stehen im Mittelpunkt und funktionieren auch mit Controller hervorragend

Sehr erfreulich geht es im Bereich des Sounds zu: Die Musik ist passend zum mittelalterlichen Setting und drängt sich weder zu sehr in den Vordergrund noch nervt sie nach längerer Spielzeit – Je nach Örtlichkeit variiert der Soundtrack von fröhlicher „Gute Laune Musik“ bis hin zu ernsten, schweren Stücken die nahendes Unheil verkünden.

Ein besonderes Lob verdient dtp als Publisher für die Soundaufnahmen der NPCs: Ist es bei einigen anderen Spielen mittlerweile wohl üblich Familienmitglieder und Bekannte die Texte lustlos ins Mikro des Aufnahmestudios brabbeln zu lassen, hat DTP bis zur kleinsten Sprechrolle auf professionelles Voice-Acting geachtet: Soweit wir im Test gemerkt haben, gibt es nicht eine unpassende Stimme oder Lustlose Syncro, im Gegenteil: Die Sprecher verleihen den Figuren Persönlichkeit und sind mit vollem Einsatz dabei.

Fazit

Ein großes Kompliment an die Larian Studios: Sie zeigen mit Divinity 2: Ego Draconis wie man ein Spiel vom PC auf die Xbox 360 portiert und trotzdem eine hervorragende Steuerung hinbekommt. Technisch kann Divinity 2 auf der 360 mit der PC Version nicht mithalten und die Ruckler und Pop Ups sind ärgerlich, dies wird aber durch die mehr als spannende Story und die vielen liebevoll ausgearbeiteten Quests mehr als ausgeglichen. Auch ansonsten stimmt es im Spiel: Kaum Bugs, eine sensationell gute Vertonung und eine Anleitung die mit über 70 Seiten diesen Namen endlich wieder verdient. Divinity 2: Ego Draconic ist mit Sicherheit das momentan beste Action RPG das ihr auf der Xbox 360 bekommt.

Die Wertung

Divinity 2: Ego Draconis ist am 2. Oktober 2009 bei dtp erschienen und kostet € 59,99 (UVP)

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Das Testmuster wurde uns freundlicherweise von dtp zur Verfügung gestellt

10. Oktober 2009 | Autor: Stargaze