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Frei Schnauze: Ermächtigungsgesetz gegen Killerspiele?

Damit ist es also offiziell: Am Freitag haben die 16 Innenminister der Bundesländer auf ihrer Frühjahrskonferenz in Bemerhaven ein „Herstellungs- und Verbreitungsverbot“ für sogenannte Killerspiele gefordert. Diese Vorlage soll im Bundestag beschlossen und möglichst schnell umgesetzt werden. Erneuten Schwung erhielt die Verbotsdebatte nach dem Amoklauf in Winneden am 11.03. als der 17jährige Amokläufer 15 Menschen mit den zwei der 18 Waffen seines Vater tötete und man herausfand, dass er Counterstrike Spieler war und am Vorabend Far Cry 2 gespielt hatte.

Danach sahen sich die Computer- und Videospieler erneut einer öffentlichen Hetzkampagne ausgesetzt in der sie u.a. vom bayrischen Innenminister Joachim Hermann mit Drogendealern und Pädophilen gleichgesetzt wurden. Auch eSport Veranstaltungen blieben nicht verschont: Konnte man die Absage des IFNG in Stuttgart kurze Zeit nach dem Amoklauf noch verstehen wurde die Absage des Ausweichtermins in Karlsruhe am letzten Freitag zu einer Provinzposse.

Diesmal scheint es, vor allem im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl, dass Politiker der konservativen Volksparteien, vor allem der CDU/CSU aber auch der rechte Flügel der SPD im Glauben ein zugkräftiges Wahlkampfthema gefunden haben mit dem sie glauben vor allem bei den älteren und konservativen Wählern punkten zu können.

Es formiert sich zwar langsam ein auch öffentlich vorgetragener Widerstand der Spieler die letzten Freitag in Karlsruhe auf die Straße gingen um gegen die Stigmatisierung ihres Hobbys zu protestieren, der Großteil der Proteste findet aber in Foren und Blogs statt und geht so an der Mehrheit der Bevölkerung vorbei.

Nicht einigen konnte man sich auf der Innenministerkonferenz hingegen auf das verbot von Paintball, Gotcha und Laserdome. Dort sieht man, im Gegensatz zum eSport, den sportlichen Wettkampf als zentrales Element. Ebenfalls keine klare Ansage gibt es zum Waffengesetz – Zwar soll bis 2012 ein bundesweites computergestütztes Waffenverzeichnis entstehen (wenn Computer bis dahin nicht auch verboten sind), eine klare Einschränkung der Art und Anzahl der Waffen die eine Privatperson zuhause besitzen darf wäre laut den Ministern aber ein zu großer Eingriff in die Privatsphäre.

Eines fällt bei der Argumentation der entsprechenden Politiker immer wieder auf: Sie fordern das Verbot von Killerspielen um die Bürger vor durch Killerspiele inspirierte Amokläufer und die deutsche Jugend vor gewaltverherrlichenden und abstumpfenden Inhalten zu schützen. Also alles nur dem Schutze des Volkes und des Staates.

MOMENT!

Kommt irgendwem diese Formulierung bekannt vor?

Die älteren unsere Leser haben sicherlich schon einmal von der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat gehört, besser bekannt als Reichtagsbrandverordnung. Den jüngeren Lesern sei kurz erklärt: Mit diesem Gesetz setzte die NSDAP im Februar 1933 große Teile der demokratischen Weimarer Verfassung und damit die Presse- und Meinungsfreiheit außer Kraft. Im Rückblick gilt diese Verordnung die als Reaktion auf den Reichtagsbrand in der Nacht zuvor verabschiedet wurde als einer der entscheidenden Schritte zur Machtergreifung Hitlers und der Diktatur des Dritten Reiches.

Ich möchte ausdrücklich klar stellen, dass ich keinem der aktuellen Politiker ein ähnliches Vorhaben unterstelle oder gar mit Adolf Hitler vergleichen möchte,  auch wenn dies eine verlockende Vorstellung ist nachdem sie, liebe Politiker, mich auf eine Stufe mit Drogendealern und Kinderschändern stellen – Im Gegensatz zu ihnen brauche ich allerdings keine Wählerstimmen und habe es nicht nötig möglichst populistisch zu agieren. Außerdem hat mir meine Mutter doch ein gutes Maß an Anstand im Umgang mit anderen Menschen beigebracht – Etwas was ich bei ihnen im Umgang mit uns Spielern des Öfteren vermisse.

Sollte dieses „Killerspielverbot“ wirklich als Gesetz verabschiedet werden, gehört auch nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen welche Seiten neben denen mit pädophilen Inhalten bald auf der von Propagandaminister Innenminister Wolfgang Schäuble geplanten geheimen BKA Liste auftauchen und von deutschen Providern gesperrt werden sollen.

Gut, mittlerweile sollte jeder halbwegs begabte PC Nutzer in der Lage sein eine IP Sperre zu umgehenAnleitungen im Netz finden sich genug (ach nein, diese Seiten werden ja sicherlich auch gesperrt) Bekannte mit dem nötigen Wissen gibt es genug, trotzdem hinterlässt dieses Vorhaben zusammen mit dem Text der Reichtagsbrandverordnung nicht nur bei mir ein sehr flaues Gefühl in der Magengegend.

Dies wird aber wohl alles nichts daran ändern, dass das Gesetz kommt, eventuell sogar noch vor der Bundestagswahl. Als Konsequenz müssten deutsche Entwickler wie Crytec das Land verlassen – Deutsche Hochtechnologie (Cry Engine 3), hochspezialisierte Fachkräfte (Faruk und Cevat Yeril) sowie viele viele Arbeitsplätze gehen verloren – Etwas was wir uns in einer globalen Wirtschaftskrise eigentlich nicht erlauben können. Aber nicht nur Crytec und deren Angestellte wird es treffen – Alle großen Publisher, von A wie Activision über E wie EA bis U wie Ubisoft müssen sich fragen ob eine dermaßen große und mitarbeiterstarke Präsenz in einem Land in dem prophylaktisch erst mal jedes Actionspiel als  gesetzwidrig gilt überhaupt noch Sinn macht.

Wir als Spieler können eigentlich nur eines machen: Uns zeigen! In der Diskussion um das Verbot der Killerspiele wird immer wieder der Generationenkonflikt heraufbeschworen – Wir müssen zeigen, dass wir nicht die kleine Gruppe der übergewichtigen, pickeligen Kellerkinder sind sondern das es sich bei den „Killerspielern“ zum großen Teil um hart arbeitende Erwachsene, hochintelligente Studierte, Väter und Mütter handelt. Unseren Politikern ist das „Phänomen Videospiele“ zum großen Teil völlig fremd – Sie verlassen sich auf die Aussagen ihrer ebenso ahnungslosen oder vorsätzlich faktenverdrehenden Berater.

Was wir aber auf keinen Fall tun sollten sind solche Hetz- und Schimpftriaden wie sie durch jedes größere, deutsche Forum gehen wenn sich wieder einmal ein Politiker zu Wort meldet. Damit bestätigen wir nur die bereits gefassten Vorurteile und erreichen damit das genaue Gegenteil dessen was wir wollen.

Jugendschutz ist gut und wichtig – Daran zweifelt kaum ein Spieler. Aber wir erwachsene Spieler fordern für uns das gleiche Recht was die erwachsenen Filmfans schon lange haben: Unterhaltung für Erwachsene. Es ist schwer zu verstehen warum uns ein Teil unseres Hobbys vorenthalten bleibt um die Jugend Bevölkerung vor uns zu schützen, gleichzeitig aber Torture Porns wie SAW in jedem Elektromarkt neben den Disney DVDs stehen darf – Dort fehlt jegliche Relation.

Einen ersten Anfang hat das Independent Friday Night Game in Karlsruhe gemacht, dies ist der Weg mit dem wir unseren Argumenten Gehör verschaffen können und der Bevölkerung und vor allem auch den Politikern zeigen können wer wir sind. Momentan sind wir in den Augen letzterer eine kleine, größtenteils nicht wahlberechtigte Gruppe und damit ein willkommenes Opfer zu jedem Wahlkampf – Wenn wir uns zeigen und als das wahrgenommen werden was wir sind findet eventuell doch noch ein Umdenken statt.

Dieser Artikel wurde von einem „Killerspieler“ geschrieben. Im realen Leben bin ich 31 Jahre alt, Altenpfleger mit Weiterbildung zum Pflegeexperte für Menschen mit Demenz und Vater eines 16monatigen Sohnes.

7. Juni 2009 | Autor: Stargaze